#elternprotest #hebammenprotest #selbstgeboren in Dresden

29. März 2014 | Schwangerschaft, unbezahlte Werbung | 3 Kommentare

Wie gestern bereits angekündigt, fand heute nun endlich auch in meiner Stadt ein Protestzug zur beruflichen Situation der Hebammen statt, deren politisch gewollte Unbezahlbarkeit der Berufshaftpflicht dazu führt, dass immer mehr ihren Beruf aufgeben müssen. Laut Veranstalter hatten sich immerhin 2500 Protestler vor der Frauenkirche versammelt. Im Geburtsjahr des kleinen Bruders sind über 6000 Neudresdner in meiner Stadt auf die Welt gekommen – nimmt man dazu noch Väter, Geschwister und Großeltern hätten die Gruppe auf den Neumarkt eigentlich noch deutlich größer sein müssen.

Ich befürchte ein bisschen, dass bei diesem brisanten Thema immer noch zu sehr die Grabenkämpfe zwischen “Haus- oder Geburtshausgeburt = gut und natürlich” und “Klinikgeburt = fremdbestimmt und problematisch” mitschwingt und sich deshalb nicht alle angesprochen fühlen. Neben den sehr knappen Vorbereitungen, bei denen es sicherlich sinnvoll gewesen wäre, wenn mit etwas mehr Zeit auch alle Hebammenpraxen und Krabbelgruppentreffs Flyer erreicht hätten, wäre es gut gewesen, wenn im Vorfeld noch mehr betont worden wäre, dass es nicht nur um die freie Wahl des Geburtsortes geht, sondern um alle Leistungen der Hebammen – von der Vorsorge, über die Betreuung im Wochenbett bis zum Ende der Stillzeit. Dennoch danke ich dem Team sehr, dass sich überhaupt eine Gruppe gefunden hat, die die Organisation für den Protest in meiner Stadt übernommen hat. Vom heimatlichen Schreibtisch aus, lassen sich nur zu einfach Verbesserungsvorschläge machen, wie ich selbst bei anderen Projekten nur zu gut weiß.

Im Internet tobt nun sogar die Diskussion über ein Buchprojekt, das statt zu vereinen, alle Frauen, die medizinische Hilfe beim Geburtsprozess brauchen, ausgrenzt, weil diese Berichte nicht erwünscht sind. In der Reaktion auf den Proteststorm finden sich dann Sätze wie “Es gibt konstruktive Beiträge und einige Kommentare in denen klar
ersichtlich ist, dass Frauen einfach mal ungebremst die Sau raus lassen
wollen und dafür auf den passenden Impuls gewartet haben.
” So etwas weckt auch bei mir großen Unverständnis.

Ich wäre normalerweise sicherlich ein Haus- oder Geburtshaustyp. Meine Atonien III. Grades, bei denen ich ohne medizinische Hilfe verblutet wäre, schieben aber auch mich, in eine Ecke, wo ich mich ausgegrenzt fühle. Ich bin dankbar, dass ich bei meinen jeweils rasanten Geburten mit knapp 2h beim Tochterkind und 4h beim Sternenkucker, keine weiteren Hilfen brauchte und mir die Klinik (!) tatsächlich eine selbstbestimmte Geburt ermöglicht hat. Dabei wurde sogar akzeptiert, dass ich eine Oxytocin-Prophylaxe unmittelbar nach der Geburt und eine manuelle Lösung der Plazenta abgelehnt habe.

Ohne die sofortigen Oxytocin-Gaben, den Crede-Handgriffen ohne Narkose, die schmerzhafter als die Geburt waren und Literweise Infusionen bei den Spätatonien jeweils zehn Stunden nach den Geburten würde ich aber nicht mehr leben. Dass ich mich trotzdem auf ein zweiten Kind eingelassen habe, verdanken wir auch unsere Hebamme – deshalb stand auf unseren Protestschild auch “Ohne meine Hebamme hätten wir keinen kleinen Bruder”. Diesen Blogbeitrag werde ich als Zeichen gegen das unsinnige schwarz-weiß-Denken des #selbstgeboren-Projekts bei der Blogparade zu diesem Zwiespalt bei berlinmittemom verlinken.

Die heutige Protestkundgebung in Dresden war aber eine gute und die Transparente zu denen auch gehörte “Auch Kaiserschnitt-Mütter brauchen Hebammen” und die Hinweise zu den Fragen zu den Fragen junger Mütter im Wochenbett haben mir gezeigt, dass es eben keine reine Pro-Hausgeburtsdemonstration war.

Von der Frauenkirche aus lief der Protestzug den Fürstenzug entlang bis zum Theaterplatz. Das Tochterkind versucht mit ihrer Triangel ordentlich Krach zu machen und zu meiner Überraschung, waren wir dabei gar nicht alleine, denn die Großeltern des Tochterkinds hatte sich spontan überlegt, auch mitlaufen zu wollen.

Ich selbst bin in den 70er Jahren als Steißlage auf natürlichen Weg auf die Welt gekommen. Eine Hebammenbetreuung, die nach Hause gekommen wäre, gab es damals nicht. Stattdessen existierte eine Mütterberatung, die aber zum Zeitpunkt, als die frischgebackenen Eltern dachten, dass die Muttermilch nicht mehr ausreichen würde und man zufüttern müsste, eben nicht hilfreich zur Stelle waren. Sonst hätte ich sicherlich eine Chance gehabt, deutlich länger gestillt zu werden.

Mein Lieblingstransparent war übrigens “Liebe(r) Hebamme  Gesundheitsminister mein Wochenfluss läuft nicht, können sie mir den Bauch massieren?” Getroffen habe ich aus der Bloggerwelt leider nur Himmelblau und Sommerbunt. Seid ihr denn auch dagewesen?

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Kreativtagebuch einer Kunsthistorikerin mit (Ehe)Mann, zwei Schulkindern (*01/2010 & 07/2013) und einem Kindergartenkind (*09/2017) im Projekt Vierseithof (*1768) in Dresden wohnend, gerne die Welt bereisend.

3 Kommentare

  1. 2500 ist doch schonmal eine ansage! Vor Wochen in Stuttgart waren es nur ein paar Hundert und wir hatten hier wenigstens 1400! Nächste Woche geht es mit der Radtour weiter! Und du hast vollkommen recht, es geht nicht um hausgeburt! Wollte ich zwar , wir waren dann aber zwei mal im Krankenhaus mit Kaiserschnitt, aber zum Glück immer mit eigener Hebamme,! Liebe Grüße silke

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  2. Schön, in dieser wunderbaren Stadt die Menschen im Einsatz für eine lebenswichtige Sache auf der Straße zu sehen! Deine Ansicht, sich in dieser Sache nicht auseinander dividieren zu lassen, kann ich nur teilen. In meinem Alter kann frau ein solches Schwarz – Weiß – denken einfach nicht mehr nachvollziehen, denn man hat genug Erfahrung und weiß, dass das nicht zielführend ist. Und Ziel sollte eine menschliche Gesellschaft sein…
    Liebe Grüße
    Astrid

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  3. Toll geschrieben! Auch ich finde es schade, dass in dieser Diskussion die Breite des Problems oft gar nicht wahrgenommen wird, weil alle von vornherein abwinken und die Hebammenunterstützerinnen in die alternative Ecke stellen. Dabei sind alle Frauen betroffen, die in Zukunft ein Kind bekommen werden, wenn die meisten Hebammen aufgeben müssen. Da fehlt mir immer noch irgendwo eine umfassend informierte und ganz sachliche Darstellung, die man verbreiten kann, um das noch vielen klarzumachen, ohne "militant" zu wirken. Ich kenne mich halt auch nicht bis in die juristischen und politischen Tiefen aus, um so etwas selber zu schreiben.
    Ganz interessant finde ich diesen Beitrag: http://www.juramama.de/2014/02/deutschen-frauen-werden-die-hebammen.html
    Ich habe ja auch Krankenhaus und Hausgeburt probiert und finde durchaus nicht, dass eine Krankenhausgeburt eine Katastrophe ist oder sonst irgendetwas über die Gebärende aussagt. 🙂 Jede soll ihr Baby bekommen, wo sie sich wohlfühlt oder die nötige Sicherheit und Unterstützung findet. Hauptsache, sie wird da als Mensch behandelt, und nicht als Gebärmaschine für künftige Steuerzahler, die gefälligst so funktionieren soll, dass sie möglichst wenig Umstände und Kosten verursacht. Und dafür brauchen wir die Hebammen, überall und vor, während und nach der Geburt!

    Liebe Grüße, Doro

    Antworten

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