Freitags freutmich, dass ich heute vor einer Woche (wie immer leider sehr hektisch) meine Nähsachen packen konnte und viele Kilometer quer durch’s Land zum Lillestofffestival nach Langenhagen bei Hannover fahren konnte. Ein bisschen zwiegespalten bin ich nach dem 48-Stunden-Festivalnährausch allerdings doch. Da die 1100 Tickets für das Wochenende bereits nach zwanzig Stunden ausverkauft waren, versammelten sich – erwartungsgemäß – sehr viele Näher in der großen Halle. Nach meiner Einschätzung waren allein in der unteren große Halle mindestens dreimal so viele, wie beim Nähcamp in Berlin.
Mein erster Festivaltag begann allerdings nach der Übernachtung bei der Familie des Patenonkels unseres Tochterkindes in Braunschweig recht entspannt, denn ich hatte mich für einen Schnittkonstruktionskurs angemeldet, der von Kerstin Joshiim ruhigen Obergeschoss durchgeführt wurde. Dieser Kurs bei einer Gewandmeisterin war einfach wunderbar. Ich habe richtig viel gelernt und bin mit meinem (!) persönlichen Rockschnitt am Abend wieder nach Braunschweig gefahren. Außerdem weiß ich nun, dass ich demnächst unbedingt eine Schneiderkurve* brauche und wie man damit arbeiten kann.
Am zweiten Tag habe ich mich dann tatsächlich ins richtige Festivalfeeling gestürzt, wobei mich recht schnell die Nachricht erreichte, dass meine Kamera in Braunschweig liegen geblieben war. Daher gibt’s vom zweiten Tag auch kaum brauchbare Bilder. Genäht habe ich auch dort wieder bei einem Kurs, denn nur mit Workshop-Buchung bin ich überhaupt noch reingerutscht, da die Tagestickets zu schnell ausgebucht waren. So entscheid ich mich für einen Workshop bei Frau Liebstes, mit der ihr Basic-Schnitt für eine schmale Sweat-Hose* genäht werden konnte.
Statt konzentriert zu nähen – was ich bei den Menschenmengen schlichweg fast unmöglich fand – war ich aber mehr in der Halle unterwegs, habe vom teilweise veganen Buffet genascht, Nähblogger vom Berliner Nähcamp getroffen, Stoffe gestreichelt und ganz tapfer – wie schon gezeigt – nur die Lillestoff Löwen* und den Bio-Jersey “Piratenwelt” von Susalabim* mitgenommen. Außerdem gab es zur Mittagszeit die Möglichkeit bei einem Designer-Stammtisch Fragen an die Stoffhersteller zu richten. Bereits vorher hatte ich versucht mit Susalabim ins Gespräch zu kommen, was mir ja sonst selten schwer fällt. An diesem Wochenende war es allerdings ein bisschen anders. Vielleicht lag es an meiner fehlender Motivation zur zwanghaften Vernetzung oder die kreischende Begeisterungsausbrüche von Nähern, die sich auf die hinter mir in der Kaffeeschlange anstehende Frau Zwergenschön stürzten und ein Bild mit ihrer Familie erbettelten. Auch wenn ihre Stoffe* von mir noch nie vernäht wurden¹ und sicherlich auch nicht werden, befremdet mich ein solches Verhalten eher.
Mit anderen Designern hätte ich mich tatsächlich mal ganz gern auf Augenhöhe unterhalten, aber bei meinen Kurzversuchen stieß man eher auf eine freundliche Professionalität, bei denen man sich schnell als der “kleine” Näher fühlte, der man natürlich in diesem Fall auch ist. Vielleicht liegt es ja daran, dass mein Berufsalltag einige Ähnlichkeiten aufweist, denn auch ich durfte nur einen Tag nach dem Nähwochenende eine Schulung leiten und saß vorgestern auf dem Podium bei einer (wissenschaftlichen) Diskussionsrunde. Dieses verbale anhimmeln, liegt mir eher fern und zur offensichtlich recht unbefangenen Raucherrunde gehöre ich auch nicht. Die Vorstellung, dass sich 600 Menschen auf einen stürzen, um ihre Begeisterung zu den Stoffentwürfen zu verkünden, würde mich selbst aber wahrscheinlich auch ziemlich befangen machen. Daher verstehe ich diese Zurückhaltung gut. Immerhin gab es diesen Effekt auch teilweise bei mir, als mein Bloggername-Schild entdeckt wurde, wobei ich hoffentlich offen genug war.
Mein Fazit ist daher, dass die 374,92 €, die ich von meinen Blogeinnahmen für Fahrtgeld, Workshop-Gebühren und Internet-Flatrate-Rate investiert habe, sich nur teilweise gelohnt haben. Der Schnittkonstruktionskurs war tatsächlich wunderbar (das Ergebnis wird wie immer einzeln gezeigt), aber dafür fast 1000 km an einem Wochenende zu fahren, ist wohl etwas übertrieben. Mit dem derzeitigen Finanzierungsstand der Vierseithofes bleibt außerdem ein bisschen ein schlechtes Gewissen, auch wenn es keine Übernachtungskosten für mich gab und ein Besuch bei Freunden damit verbunden werden konnte. Immerhin freue ich mich jetzt noch ein bisschen mehr auf unsere völlig ungezwungenen Nähbloggertreffs in kleiner Runde …
Verlinkt bei Malamü.
Fünf Dinge, über die ich mich in dieser Woche gefreut habe, lasse ich heute mal aus, denn nach der Zerstörung meiner Soulbottle, dem Verlust meines Handy-Ladegerätes beim Lillestofffestival, das leider bis jetzt nicht gefunden wurde und einem geklauten Fahrrad samt Kindersitzhalterung war die Woche eher mittelprächtig.
Edit¹: Nachdem das Facebook-Damoklesschwert auf mich niederzustürzen drohte, nun auch nochmal hier zur Richtigstellung, dass sich das “von mir noch nie vernäht wurden¹ und sicherlich auch nicht werden” schlichtweg darauf bezieht, dass ich reduziertere Designs bevorzuge. Wenn ich damit den Zwergenschön-Fans auf die Füße getreten bin oder gar die Designern selbst nun eine “negative Energie” verspürt, entschuldige ich mich dafür.
Ich glaube, wir sind einfach vom Nähcamp verwöhnt *g* Dort sind wir eine so tolle, familiäre Gruppe, bei der es leicht fällt ins Gespräch zu kommen und bei der eben (überwiegend) auf Augenhöhe gequatscht werden kann. Mir ist es auch zu doof andere Bloggerinnen "anzuhimmeln", nur weil ihr Blog mehr Zugriffe hat als meiner – und ich würde auch nicht wollen, das man mich anhimmelt, falls ich mal bekannter werde. Klar freut man sich, wenn man angesprochen wird mit "Hey du bist doch die xxx von Blog xy" – aber mehr muss es auch nicht sein. Lobhudelei finde ich eher unangenehm.
Insofern hoffe ich wir sehen uns (spätestens) nächstes Jahr in Berlin wieder 🙂
Liebe Grüße,
Annika
Stimmt – und Berlin ist ja zumindest für mich auch deutlich näher 😉 so ein Nähfreies Wochenende bleibt aber auch so toll …
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Bitte nicht erschrecken und hoffentlich auch nicht falsch verstehen, ich wollte damit nur ausdrücken, dass ich selbst mit dieser darf-ich-ein-Bild-mit-euch-machen-Euphorie wohl ziemlich schwer umgehen könnte. Die Einschätzung, dass ich keinen Zwergenschön-Stoff vernähen werde, bezieht sich darauf, dass mir reduzierte Designs eher liegen. Genügend Zwergenschön-Fans gibt es ja glücklicherweise schon, was ich auch gut finde, denn sonst hätte ich den Stoff ja im Text auch nicht beworben …
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wie kommst du denn nun darauf? Wir haben ja überhaupt nicht miteinander geplaudert, denn ich habe dich gar nicht angesprochen und eher bewundert, wie offen du mit dem Ansturm der Fans umgegangen bist … was mir – wie oben geschrieben, sicherlich deutlich schwerer fallen würde
Ich kann das alles gut nachvollziehen und freu mich auch mal lieber auf das Nähcamp in Berlin.
LG Judy
Hihi, negative Energie verspüren, weil du das Design nicht magst? Alles wie im Märchen, was?
Ich bin auf deinen Rock gespannt! Das geklaute Fahrrad tut mir sehr leid. Erst im Februar diesen Jahres wurde meins geklaut. Gegenüber von der Trinkbude "Kaiser-irgendwas". Das war ganz schöner Mist! Hoffentlich habt ihr Ersatz oder seid ihr jetzt ersteinmal Fahrradlos?
Liebe Grüße,
Kathrin
BTW Wir hätten ein selbstgebautes Bambusfahrrad zum Verkauf.
Ich wackel mit dem Cityrad meiner Mutter durch die Gegend, was noch keine wirklich gute Lösung ist – selbstgebautes Bambusfahrrad klingt ja hochinteressant! Ich durchsuche heute abend mal deinen blog …
Huhu,
ich kann gar nicht verstehen, warum sich irgendjemand über deinen Bericht aufregt. Ist doch nur deine eigene Meinung. Ich selber habe z. B. auch nie daran gedacht, Zwergenschön-Stoffe vernähen zu wollen. Ist mir einfach zu verspielt. Irgendwann hab ich es dann doch gemacht, weil meine Tochter sich den Stoff für ihr Kleid selber aussuchen durfte. Kinder haben hält oft einen anderen Geschmack.
Aus meiner Sicht hast du alles richtig gemacht. Lass dich von blöden Kommentaren nicht runterziehen. Zur Not gibt es den Löschen-Button.
Lieben Gruß
Marietta
Liebe Frau Amberlight,
erst durch Deinen heutigen Post bin ich auf den Festivalsbericht zurück gegangen und habe ihn gelesen (ich lese i.d.R. besonders genau Deine Nachhaltigkeitsposts, Nähbloggertreffen sind für mich nicht so spannend, wenn man nicht dabei war). Nun hatte ich mein Schmunzeln am Morgen! Danke für Deine immer so richtig schön ehrlichen Posts! So wirken sie zumindest auf mich und das finde ich klasse. Wo im Leben glänzt denn immer alles? Nirgends. Warum sollte es in der Näherinnen-Gemeinschaft anders sein? Angriffe auf dieser Strecke sind doch nichts als kleinkariert. Zum Glück vernäht nicht jede von uns die Stoffe von Frau Zwergenschön (keine Ahnung, wer das ist), Wäre ja auch fürchterlich, wenn man in jeder Straßenbahn T-Shirts oder Kleider aus den gleichen Stoffen träfe! Da macht es doch die Vielfalt und Geschmack sollte unbedingt verschieden bleiben… Schade finde ich, dass Du die Kommentare gelöscht hast. Die hätte ich schon gern gelesen! 🙂
LG
Valomea
Vielen Dank für euren wohltuenden Worte. Ich habe und hätte die beiden Kommentare aber nicht gelöscht – das war die Kommentatorin selbst. So stehen nun nur noch meine Antworten da …
Ach, auch interessant…. 🙂
Also dass sich jemand aufregt, weil man diesen oder jenen Stoff (nicht) schön findet, halte ich für wirklich überzogen. Das heißt ja nun nicht, dass man den Designer PERSÖNLICH nicht leiden kann, sondern einfach andere Vorlieben besitzt.
Es gibt außerdem so viele Designer, da kann man auch nicht jeden mögen, zumal es auch verschiedene Aspekte bei der Stoffwahl gibt, die jetzt nicht nur mit Motiven zu tun haben. Mancher vernäht nur Webware, mancher nur durchgefärbte Stoffe, mancher lieber nur Bio-Stoff usw. Das ist alles ganz unabhängig von den Personen, die an der Produktion eines gewissen Stoffes beteiligt sind. Damit beleidigt man doch auch keinen.
Das wäre ja so, als ob mit Pollora auf's Dach steigen würde, weil ich zur Zeit lieber mit meinem Girasol-Tragetuch trage…
Ich finde die Debatte echt sinnlos und freue mich wiederum sehr, dass du das Festival realistisch beurteilt hast anstatt dich in sinnloser Lobhudelei zu verlieren. Um alles immer einen Hype zu starten, finde ich nämlich eher kontraproduktiv.
Danke für deinen Bericht vom Festival und deine Einschätzung. Ich hab auch schon paar Mal überlegt hinzufahren, aber konnte mich nicht so richtig durchringen. Das Bauchgefühl schreit eben nicht laut und deutlich ja. Nähen kann ich auch zu Hause und hier sicherlich ruhiger als wie von dir beschrieben und mit weniger Aufwand. Nähkurse gibt es hier auch, Stoff kann ich hier auch kaufen. Andere Blogger treffen könnte interessant sein. Aber erstens hab ich auch keine Lust der zigste Riesenfan zu sein, anhimmeln liegt mir auch nicht und zweitens kenne ich ja doch nur den Blog bzw. das Blogger-Ich und nicht die Person dahinter. Beides muss nicht immer übereinstimmen.
Nach einem unschönen Fanwochenende mit einem Sänger und seinen Begleitern kann ich die einstmals schönen und berührenden Texte nicht mehr hören, da mein Eindruck an dem Wochenende vom Sänger und Texter leider ein anderer war als die Beschreibung im Lied. Das befürchte ich bei solchen Events doch wieder. Daher bleib ich schön zu Hause und freu mich an den Blogtexten wohlwissend, dass hinter den tollen Fotos, Ideen etc. auch nur normale Menschen stecken. Wenn ich mal jemanden in kleiner Runde treffen sollte, kann ich mir immer noch überlegen, ob ich jemand anspreche, aber ich kann auch stiller Bewunderer oder Fan sein und nur kommentieren statt kreischend anhimmeln.
Nächste Woche bin ich in Dresden, vielleicht sehr ich dich da ja mal… 😉 Ansonsten freue ich mich immer wieder hier von dir zu lesen.
Liebe Grüße Cornelia
Das Festival reizt mich ja so gar nicht… Berlin ist okay, dürfte aber auch nicht mehr viel wachsen.
Dein Satz des Anstoßes ist schon ein wenig unglücklich formuliert und liest sich beim ersten Überfliegen als "abschätzend". Allerdings denke ich, dass man gerade als Designerin drüber stehen muss, denn Design ist nun mal Geschmackssache.
LG
Kerstin
Wofür ich mich ja dann hier und da entschuldigt habe, aber nun auch nicht nachträglich "umformulieren" würde – was dann allerdings daraus bei FB seitens der Designers gemacht wurde, verstehe ich bis heute nicht …